Die Mitwirkungsrechte der Arbeit­nehmenden sind in der Schweiz, ver­glichen mit den meisten anderen europäischen Ländern, bescheiden. Das gilt insbesondere für die Mit­bestimmung auf Unternehmensebene. Die gibt es bei uns von wenigen Ausnahmen abgesehen gar nicht. Aber auch auf Betriebsebene gilt: In den meisten Ländern sind die im Gesetz geregelten Rechte für Arbeitnehmervertretungen besser, auch weil es dafür EU-Mindeststandards gibt, die in der Schweiz nicht gelten.

INDUSTRIE

Auf den zweiten Blick sieht die Situation in der Schweiz allerdings etwas besser aus, weil zahlreiche Mitwirkungsrechte zwar nicht im Gesetz, dafür aber in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) geregelt sind und teilweise über das Gesetz hinausgehen. Vor allem in der Industrie haben Betriebskommis­sionen eine lange Tradition, und in den Verträgen wurden schrittweise mehr Rechte verankert. So zeigt eine neue Untersuchung der Universität Zürich, dass der Anteil von GAV, in denen Mitwirkungsrechte geregelt sind, deutlich zugenommen hat. Waren es 1971 erst 36 Prozent der GAV, die Mitwirkungsklauseln enthielten, nahm dieser Anteil bis Mitte der 1980er Jahre auf 49 Prozent zu – und liegt heute bei 60 Prozent. Führend dabei ist immer noch der industriell-gewerbliche Sektor mit 66 Prozent, vor dem tertiären Sektor mit einem Anteil von 57 Prozent.

AUFWEICHUNG?

Zu den Mitwirkungsklauseln in den GAV gehören zum Beispiel erleichterte Verfahren für die Wahl der Personalkommission (PK) oder ein besserer Kündigungsschutz für PK-Mitglieder. Eine lange Tradition hat auch die Delegation der betrieb­lichen Lohnverhandlungen an die PK und die Kompetenz, über Abweichungen vom Gesamtarbeitsvertrag zu verhandeln. Beides Rechte, die in den Gewerkschaften umstritten sind, weil sie auch zu einer Aufweichung des jeweiligen GAV führen können. Die Teilnehmenden einer Tagung von Gewerkschaftsbund und SP zur Wirtschaftsdemokratie waren sich trotz den kleinen Fortschritten in den letzten 40 Jahren einig: Das ist zu wenig, es braucht mehr Mitbestimmung in der Schweiz!

SP-Mitglied Hans Baumann ist Ökonom und Publizist. Sein Beitrag erschien zuerst in der Gewerkschaftszeitung „work“ vom 18. Mai 2018.